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Wie Texte entstehen – zum Beispiel in einem Schreibkurs

Wie Texte entstehen

Pack die Badehose ein!

Ein Schreibkurs in vier Lektionen, der sich literarisch dem Phänomen Sommer widmet. Von Leichtigkeit und Freiheit ist da die Rede, von lauen Nächten, schattigen Wäldern und den Wellen als Klangteppich unter unseren Träumen. Ich bin begeistert und melde mich zu diesem Online-Kurs an. Die Lektionen sind umfangreich. Die Teilnehmer*innen werden mit Sachinformationen, literarischen Beispielen, Musikstücken und Videos an die Facetten des Sommers und deren literarische Umsetzung herangeführt. Fast nebenbei entsteht eine Sommergeschichte. Leicht soll sie sein, unterhaltsam und ganz bestimmt kein Krimi. Das habe ich mir fest vorgenommen. Doch dann kommt alles irgendwie anders, in dem „Haus am See“.

Haus am See – ein Sommerkrimi von Iris Otto

Lektion 1

Kurze Hose lange Nächte, der Start in den Sommer

Aufgabe: Ein Protagonist, der in Sommerstimmung kommt.

„Du weißt, dass es die einzigen drei Wochen sind, die ich im Sommer wegkann. Wir hatten den Urlaub ja nun weiß Gott lange genug im Voraus geplant.“ Gaby schob ihren Teller von sich. Der Appetit war ihr vergangen. Unter der Markise staute sich die Wärme und trieb Schweißperlen auf ihre Stirn.

„Ich weiß, mein Schatz. Es tut mir leid. Das kannst du mir glauben. Aber mir sind da die Hände gebunden. Kein Mensch konnte ahnen, dass uns plötzlich die Entwicklung der neuen E-Motoren solche Probleme bereitet. Wir sind total im Verzug. Der CEO kommt extra aus Japan eingeflogen. Ich kann jetzt nicht wegfahren.“ Ralf lehnte sich auf seinem Terrassenstuhl zurück und sah sie zerknirscht an. Vergeblich versuchte sie hinter seiner in Falten gelegten Stirn zu lesen, wie weit sein Bedauern tatsächlich ging. Ihr Mann liebte seinen Job, vielleicht mehr als sie selbst? Das war ungerecht, rief sie sich zur Ordnung. Er hatte ihr in fünfzehn Ehejahren nie einen Grund gegeben, an seiner Liebe zu zweifeln. Trotzdem hatte sich allmählich immer mehr Alltagsroutine in ihre Beziehung eingeschlichen. „Können wir nicht ausnahmsweise in der zweiten Ferienhälfte wegfahren?“, bat er.

Gaby starrte auf ihre rauen Hände und die kurzen, brüchigen Fingernägel. „Das geht nicht. Ich habe überall veröffentlicht, dass der Laden ab Montag geschlossen ist. Auch der Blumenhändler aus Amsterdam weiß, dass er mich nicht beliefern muss. Meine beiden Mitarbeiterinnen sind ab Montag im Urlaub. Die kann ich nicht einfach zurückrufen.“

„Musst du doch auch nicht.“ Ralfs Gesicht hellte sich auf. „Die zwei können dich doch hinterher vertreten. Und wir fahren wenigstens noch ein bisschen weg.“

„Du weißt genau, wie viel ich zu tun habe, wenn das Sortiment nach der langen Pause wieder aufgefüllt werden muss. Das kann ich nicht zwei Teilzeitkräften überlassen. Dazu fehlt mir auch selbst noch ein wenig die Routine.“

Ralf seufzte. „Ich habe gleich gesagt, dass du dich mit dem Blumenladen stark einschränken wirst.“

„Hör bitte damit auf! Gib jetzt nicht mir die Schuld daran, wenn du unseren Urlaub

schmeißt.“

Das Gartentor quietschte und Gaby beobachtete ihre Tochter, die mit federnden Schritten über den Rasen kam. Gleich würde ein Vulkan explodieren, so viel stand fest. Zwei Stufen auf einmal nehmend, kam die Fünfzehnjährige auf die Terrasse. Irritiert blickte sie zwischen ihren Eltern hin und her. „Dicke Luft?“, wollte sie wissen.

„Papa kann nicht mit in den Urlaub“, erklärte Gaby.

Sophia riss ihre Augen auf und schaute ihren Vater an. „Was? Ist das dein Ernst?“

„Es tut mir leid, aber in der Firma …“ Sophia fiel ihrem Vater ins Wort. „Heißt das, es gibt keinen Familienurlaub dieses Jahr?“

„Doch natürlich.“ Ralf trommelte mit seinen Fingerspitzen auf der Tischplatte. „Du kannst mit Mama fahren, so wie geplant.“

Gaby schlug nach einer Wespe, die über die Essensreste auf ihrem Teller herfiel. Mutter-

Tochter-Urlaub war zwar besser als gar kein Urlaub, aber es wäre nicht das Gleiche, so viel stand fest. Die Eskapaden ihrer pubertierenden Tochter würde sie dann allein parieren

müssen. Sophias Mienenspiel glich einem blitzartigen Wetterumschwung von leicht bewölkt über Gewitter bis strahlenden Sonnenschein. „Nö, lasst man. Macht euch meinetwegen keinen Stress. Ich kann ja bei Lisa und ihren Eltern mitfahren. Die wollen in Frankreich

zelten. Das ist eh cooler als in den Bergen abhängen. Ich rufe sie gleich mal an.“

„Moment mal“, schrie Gaby ihrer Tochter hinterher. „Das entscheidest du ja wohl nicht

alleine.“

Sophias Flipflops quietschten auf den Terrassenfliesen, als sie sich umdrehte. „Nimm dir doch auch eine Freundin mit, Mama. Dann könnt ihr zu zweit in dem Hotel chillen.“ Gaby wusste nicht, ob sie lachen oder schreien sollte. Sie hatte so viel gearbeitet, seit sie vor einem Dreivierteljahr den Blumenladen übernommen hatte. Sie brauchte diesen Urlaub einfach. Jetzt sofort und genauso wie er gedacht war: als Familienreise! „Sag doch auch mal was“, fuhr sie ihren Mann an. Doch der hatte sich den Briefumschlag vom Tisch genommen und musterte Anschrift und Absender in dem kleinen Adressfenster.

… und wie es weitergeht in Lektion 2 und mit dem Text, das können Sie auf der Autorenseite von Iris Otto weiterlesen!

Foto: jon-flobrant-unsplash

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