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Der Besucher – Eine Short Story von Stefan Gross

Pistole

“Der Besucher” -Diese Short Story ist im Speed-Writing entstanden
Stefan Gross ist Architekt und wohnt in München

Ihr Nachtgeruch hing noch im Zimmer

Ihr Nachtgeruch hing noch im Zimmer, in der Kammer sollte ich besser sagen, denn es war ein sehr altes Haus. Sie war vor wenigen Minuten abgerauscht mit ihrem C3, metallic blau. Termin in Berlin, ich hab‘ vergessen was es genau war. Kommunikationstrainerin… wohl ein Seminar. Ich öffnete das Fenster, ein vorbildlicher Septembertag strömte herein, die Sonne ging im Osten auf, über dem Bruch lag Frühnebel. Die Verheißung der heilen Welt da draußen behütete mich wenigstens heute davor, in ihr unverschämt ungemachtes Bett zurück zu kehren und darüber zu grübeln, wie lange meine Beziehung zu dieser viel zu jungen Frau noch dauern könnte, bevor wir uns ernsthaft beschädigen würden.

Es war schmutziges Geld

Ich hatte das einsame Leben hier gewählt, um mit Ende fünfzig meine alles in allem doch sehr gute Verfassung zu konservieren. Ich hatte wirklich keinen Grund, stolz auf mein Erbe zu sein, es war schmutziges Geld, so schmutzig wie jedes Geld, das sich auf stillen Konten aus Strömen anstaut, nach deren Quelle man besser nicht fragt, wenn man sich Ärger ersparen will. Doch hielt ich mich für einen anständigen, nicht ganz und gar zynischen Menschen, der spontanen Gefühlen noch erliegen konnte. Sie brauchte ein eigenes Bett, das war Bedingung, damit sie hier über Nacht blieb. Ich räumte mit ein paar sachlichen Handgriffen ihr Bett auf, ging in die Küche und setzte Kaffee auf. Auf der Anrichte lagen Radieschen, Möhren, Äpfel, Tomaten, alles aus dem Garten hinterm Haus.

Es gab Berliner Brot

Es gab Berliner Brot, daran dachte sie immer, ich hatte das einmal erwähnt, seither versorgte sie mich, wenn sie auftauchte, zuverlässig mit Basics, für die ich mich ins Auto hätte setzen müssen, um in Bad Freienwalde einzukaufen. Die Zubereitung des königlichen Frühstücks an einem perfekten Morgen war dem einsamen König vorbehalten. Ich fürchtete mein einsames Reich und liebte es zugleich.

Bach, dieses Bewässerungssystem fürs Gehirn

Bach, dieses Bewässerungssystem fürs Gehirn, Brandenburgisches Konzert über Sennheiser Kopfhörer, ich weiß nicht, was manche Leute gegen diese Entwicklung haben. Kopfhörer sind eine sehr zutreffendes Angebot für Menschen in Zeiten der Abschottung. Manchmal genügen mir die schlichten Landgeräusche zum Frühstück einfach nicht: Trecker, Flugzeuge, Autos auf entfernt liegenden Straßen, spärlicher Vogelsang, lästige Insekten mit nichtssagendem Gebrumme. Ich saß auf der Terrasse vorm Eingang, genoss mein Selbstgemachtes und überblickte den Hof.

Der schwarze SUV rollte auffällig langsam

Der schwarze SUV rollte auffällig langsam, sozusagen vorsichtig auf mich zu. Kein besonders hochwertiges Auto, asiatisches Pipapo-Modell, aber ausreichend, um sich in dieser Gegend als Erfolgsmensch auszuweisen. Ich nahm den Kopfhörer ab und stand vom Tisch auf, vorsichtshalber. Das war kein Eierhändler und wohl auch kein Versicherungsfritze. Es war Samstag und Besuch kam nur, wenn ich einlud. Der Wagen glänzte wie Speck im Gegenlicht der Morgensonne. Ich konnte noch immer nicht erkennen, wer da vorfuhr. Der Wagen wurde an den Rand gelenkt und abgestellt. Das sah nach einem Menschen mit Manieren aus. Ich bemerkte meine Anspannung, ausgelöst von der noch nicht entschiedenen Frage, ob es hier um Kampf oder unverhoffte Freude gehen würde.

Über zwanzig Jahre

Der ohnehin sehr leise Motor war ausgestellt worden und der Mann, der ausstieg, war die um über zwanzig Jahre gealterte Version meines damaligen Freundes Karl. Ich war unschlüssig, ob ich auf ihn zugehen oder abwarten und abchecken sollte, ob er nicht irgendeinen Tollwutvirus in sich trug. Über zwanzig Jahre… So zögerlich, wie er vorgefahren war, kam er jetzt auf mich zu. Ich beschloss, ihm entgegen zu gehen. „Mensch Karl, bist du das?!“, hörte ich mich sagen. Man sollte was sagen. Nach so langer Zeit gibt es kein vertrautes Schweigen mehr, auch wenn uns das verbunden hatte damals in Kyoto, im Manpukuji Zen-Kloster. Langsam dämmerte es mir wieder, sah ich uns wieder gegenübersitzen im Kloster auf dem Zenkissen in endlosen Stunden strengen Schweigens, in denen wir über Erleuchtung grübelten. Karl sah, nach meinem erstem Eindruck zu schließen, gut aus, in Jeans und Holzfällerhemd, mit hochgekrempelten Ärmeln. Ein zierlicher Mann, dunkler Typ mit weichem Blick, zu Tränen und zu Freundschaft fähig.

Im beigelegten Brief

Ich kannte ihn sehr gut damals, seine Geschichte, die ihn aufs Kissen getrieben hatte. Aufs Kissen, das war dort unser Spruch. Er hatte seine Wahrheiten für die Zukunft etwas schneller gefunden als ich. Nach einigen Wochen war er plötzlich abgereist, hatte gewusst, was er im Leben tun wollte. Der junge Maschinenbauingenieur aus Sachsen, der in Japan offenbar mehr als nur meditative Weisheiten gefunden hatte, sondern auch eine Frau, die zur Familie von Toyota gehörte, der Autobauerdynastie. Wenn das stimmte und er es richtig anstellte, konnte er ziemlich weit nach oben kommen. Karl hatte mir zwei Jahre nach unserer Zeit im Japan Mitte der Neunziger eine aufwendig gemachte Einladungskarte geschickt, mit ihm und Keiko als Brautpaar vor der goldenen Pagode, dem Kinkaku-ji. Im beigelegten Brief hatte er mich zur Feier eingeladen, war auf unsere gemeinsame Zeit, die ihm mehr bedeutete, als ich angenommen hatte, eingegangen und hatte mich gebeten, sein Trauzeuge zu sein. Eine Ehrensache, auf die ich nie geantwortet hatte.

Er schrieb aus einer anderen Welt

Er schrieb aus einer Welt, aus der ich mich verabschiedet hatte, damals auf dem Kissen, wenn auch nicht ganz von den Geldströmen, die mir aus meinem angestammten Leben weiterhin zuflossen. Mein schlechtes Gewissen, ja Benehmen ihm gegenüber war ich nie ganz losgeworden. Jetzt sorgte es für die wachen Erinnerungen an damals.
Bevor wir uns umarmen konnten, war es unausweichlich, dass wir uns zuerst japanisch voreinander verneigten, eine leichte Verbeugung nur, eine liebenswerte Kleinigkeit, aber undenkbar für Leute in Deutschland, die dafür nie den geringsten Anlass sehen können. In dieser Geste war ich ihm plötzlich sehr nahe, er ebenso, wie mir schien.

Du kommst genau richtig

Die dann folgende Umarmung war kurz, knapp und unverbindlich, nichts als eine gegenseitige Vergewisserung, dass wir nichts voneinander zu befürchten hatten, dies jedoch, wie wir beide sehr wohl wussten, eine sehr flüchtige.
„Du kommst genau richtig, lass uns frühstücken, mein Freund“ (Der Freund entfuhr mir ohne, dass ich’s wollte).
„Danke sehr, mein Lieber, es war gar nicht so leicht herauszufinden, dass du hier steckst…“
Ich hatte bis dahin nicht überlegt, dass er hatte nachforschen müssen, um mich zu finden. Ich beschloss, förmlich zu bleiben. „Was führt dich zu mir? Wie geht’s Keiko? Ihr seid doch hoffentlich noch zusammen? “ Karl beantwortete nur die erste Frage, leise, ruhig und direkt. „Hier kann ich nicht länger bleiben, ich muss weg.“  Er ließ zu, dass ich ihm in die Augen sah, überprüfte, ob er es ernst meinte. Den Blick erkannte ich wieder, der schon damals gesagt hatte, nur noch ein paar Schritte bis zum Abgrund…

Ich brauchte Zeit zum Nachdenken

Meine Antwort war ein gedehntes Hhmm.Ich brauchte Zeit zum Nachdenken. Mein alter Freund, du fürchtest sicher nicht, dass ich jetzt aufspringe und die Polizei rufe. Hhmm… Vielleicht hätte ich das tun sollen, aber stattdessen sagte ich „Also hör mal, so geht das aber nicht. Lass uns gefälligst ordentlich frühstücken. Schau dir den Tag an, er ist wunderbar.“ Karl spielte mit, ließ es sich gefallen, dass ich ihn bewirtete, ihm weiteren Kaffee einschenkte, Nachschub an Brot und Rühreiern aus der Küche holte, ihm sogar anbot, einen Sencha zu machen.

Das Gesicht, mit dem er damals abgereist war

Er lächelte, lehnte jedoch ab. „Dein Kaffee ist prima. Sencha, ha!“  Plötzlich neigte er sich nach vorn und vergrub für ein paar Sekunden sein Gesicht in den Händen. Als er wieder auftauchte aus seiner Häschengrube, schüttelte er sich ein paar mächtig störende, nicht zu übersehende Gedanken aus dem Kopf. Ich sah sein anderes Gesicht, das harte, klare, unmissverständliche, das sich zu etwas entschieden hat. Das Gesicht, mit dem er damals abgereist war.

„Erzähl, Karl, was sollte ich wissen?“, sagte ich und fand die Szene seltsam vertraut. „Ich brauche Papiere, deine Papiere. Und ich brauche wohl auch ein wenig Geld von  dir, aber das dürfte ja für dich kein Problem sein, wenn ich richtig recherchiert habe.“ Ich zwang mich am Tisch sitzen zu bleiben und seine Sätze so gut es ging an mir abtropfen zu lassen, aber das funktionierte nicht, sie drangen in mich ein und ich verstand instinktiv, worauf er hinauswollte. Unsere Ähnlichkeit war gewiss nicht die eineiiger Zwillinge, aber sie würde völlig genügen, um ihn mit meinen Papieren ausreisen zu lassen.

Plötzlich hatte er eine Pistole in der Hand

In der Küche klingelte mein Telefon. Das konnte nur Carla sein, bereit für einen Flirt in ihrer Seminarpause, aber eigentlich war es noch zu früh für ihre erste Pause, vielleicht steckte sie irgendwo im Berliner Norden im Stau. „Du entschuldigst…“ Karl hatte nicht die Absicht. „Bleib sitzen! Ich denke, wir sollten das schnell und direkt regeln. Gib mir deine Brieftasche!“ Ich war nicht der Mann, der offensive Auseinandersetzungen liebte, aber sie schien unausweichlich, besonders, wenn er mich vom Telefonieren mit Carla abhielt. Ich stand auf und er tat es ebenfalls.  „Also hör mal, es mag sein, dass du ein Problem hast und mich hier aufsuchst, weil du gerade keine Freunde mehr hast, aber das geht ein bisschen zu weit, findest du nicht?“ Ich hatte tatsächlich den Plan, ans Telefon zu gelangen und die Polizei anzurufen.

Karls Antwort war eindeutig. Plötzlich hatte er eine Pistole in der Hand, ich starrte auf das schwarze, kantige Stück Metall mit dem unangenehmen schwarzen Loch, das in meine Richtung zeigte. „Das wagst du nicht, Karl…“. „Sie ist geladen und du wärst nicht der Erste. Komm mit, damit du kapierst, warum ich es ernst meine.“ Er deutete zu seinem Wagen. Ich war neugierig genug, um ohne weiteren Widerspruch vor seiner Waffe herzugehen. Die Straße, über die man hierher gelangt, verläuft einige hundert Meter entfernt, doch man hört die Autos. Ich versuchte mir einzureden, dass jemand unterwegs war hierher, um diesen Spuk zu beenden. Mit dem unverwechselbaren Pfeiflaut einer Fernverriegelung öffnete sich die Heckklappe des protzigen Wagens. „Schau es dir an, ist eine ziemliche Sauerei, ging aber nicht anders.“

Das willst du nicht wirklich wissen

Im Kofferraum lag ein mit einem Kopfschuss getöteter Mann mit blonden Haaren, in schwarzer Kluft mit Springerstiefeln. „Wer ist das?“, fragte ich, während meine Ohren angestrengt in Richtung Straße lauschten.

„Das willst du nicht wirklich wissen, ziemlich unangenehmer Typ jedenfalls. Hör zu Paul, wenn du mitspielst, werden wir den hier schön entsorgen, ich verschwinde und niemand wird merken, dass ich unter deinem Namen verreist bin. Du meldest deine Papiere einfach als gestohlen. Bis sie dahinter kommen, bei einem Mann wie dir…“ „Ein Mann wie ich? Du überschätz mich, Karl…“ Ich überlegte, ob das ohne weiteres Kleinholz im Kofferraum abgehen könnte, aber der Tote war mir genau genommen egal, ich fragte mich, ob ich heil aus der Nummer rauskäme, wenn ich ihm den Gefallen täte. Erschießen würde er mich sicher nicht, käufliche Menschen erhält man sich so lange wie möglich. Herrgott, wieso holte mich der ganze Dreck wieder ein? Ich wollte mit fetten Karren, fetten Konten und von Winkeladvokaten mühsam in der Legalität gehaltenen Brutalos, die die Drecksarbeit verrichteten, nichts mehr zu tun haben, aber wenn man mehr oder weniger in dieser glänzenden Scheinwelt so aufgewachsen und sich bis zum Erbrechen unschuldig gehalten hatte und von den Faulgruben im tiefsten Inneren all dieser Falschspieler nichts wissen wollte, obwohl sie zum Himmel stanken…

Und was wenn nicht

Ich merkte, wie ich mich vor der Pistolenmündung meines damaligen Weggefährten zu schämen begann. Er hatte sich wohl verhoben, wie so viele, die einfach nicht genug bekommen können. Und nun wolle er diesen unglücklichen Quertreiber hier abladen und sich unter meinem Namen aus dem Staub machen. „Und was wenn nicht?“ Karl grinste nur. „Du weißt doch, wie es steht, wo ich stehe, dummerweise, manchmal passieren solche Dinge einfach.“ Mir wurde klar, dass es ihm auf einen mehr oder weniger nicht ankam. Er würde das Haus durchsuchen und im einzigen abschließbaren Möbelstück das finden, wonach er verlangte. Dass er mich überhaupt am Leben ließ, war wohl nur eine Frage der Eleganz. Eine Sauerei weniger, wenn ich mitspielte.

Was ist mit Keiko

„Was ist mit Keiko, hab‘ ich dich schon mal gefragt..? Gibt es wirklich nichts mehr, woran du hängst, nichts mehr zu erledigen hier, einfach nur schwupp, weg? Gib auf Karl, stell‘ dich, mach reinen Tisch….“ Er kratze sich am Hinterkopf, als schien er zu überlegen. „Schon wieder viel zu viele Fragen auf einmal, mein Lieber…“ Mein Lieber…. Zum ersten Mal seit er hier aufgekreuzt war, hatte ich Lust ihm in die Fresse zu hauen. Mein Karate, auch so eine Reise auf der Suche nach Gerechtigkeit, lag schon eine Weile zurück, aber gewisse Dinge verlernt man nie. Nur eine Millisekunde Unaufmerksamkeit bei ihm und scharf mit der Handkante gegen seine Kehle…

Ein himmelblauer C3

Ein Wagen fuhr die gekieste Auffahrt hoch. Ich hoffte, dass es ein schwerer BMW mit zwei fähigen Polizeibeamten war. Aber es war ein himmelblauer C3 mit hellgrauem Schiebedach. Karl schloss, so schnell es eben ging bei der schwerfälligen Mechanik, die Heckklappe seines Wagens und ließ mich dabei sträflich lange aus den Augen. Aber bevor mir das kleine Zeitfenster, in dem ich ihn hätte niederschlagen können, klar wurde, hatte er die Pistole wieder auf mich gerichtet.   „Wer ist das?“, zischt er nervös. „Das wirst du gleich sehen…“ Karl schnaufte. „Bloß keine Zicken, kapiert?“ „Dann steck das Ding weg.“ Karl war klug genug, die Waffe wieder dahin zurück zu stecken, wo sie so gefährlich unsichtbar unter seinem Flanellhemd im Halfter ruhte.

Ihre Unbekümmertheit machte mir Angst

Carla parkte am gegenüberliegenden Rand der Auffahrt, stieg aus und kam freudestrahlend auf uns zu. Ihre Unbekümmertheit machte mir Angst, Angst um ihr Leben, doch ich überließ ihr die Bühne, anstatt sie in ein Gespräch zu verwickeln. Sie redete gleich drauflos. „Ich hatte auf halber Strecke nach Berlin plötzlich keine Lust mehr, habe mich bei denen krank gemeldet. Muss drin sein, findest du nicht?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, musterte sie Karl und war sich sicher. „Hey, hey, Pauli (ich hatte ihr erlaubt mich so zu nennen), ich wusste gar nicht, dass du einen Bruder hast!“ „Er ist nicht mein Bruder…“, versuchte ich abzuwiegeln, aber da war es schon zu spät. Sie ging so flink auf Karl zu, dass der gar nicht anders konnte, als sie zu umarmen. Und hätte er nur ein bisschen Verstand gehabt, hätte er es bei einer flüchtigen Höflichkeit ohne zu großen Kontakt belassen, doch er ließ sich regelrecht herzen, was man, erlebt man Carla, wie sie Menschen liebt, verstehen kann.

Was wir hier gespielt?

Als sie die Waffe spürte, fuhr sie zurück. „Hey, Moment mal, was wird hier gespielt?“ Warum nur hatte ich mich auf so ein tollkühnes, mutiges, unvernünftiges Mädchen eingelassen? Karl zog unverzüglich die Waffe. „Los darüber, zu deinem Papa, oder was?“ Doch Carla dachte nicht daran. „Mann Paul, sag‘ ihm, er soll das Ding wegstecken!“ „Und du, ja, ich weiß ja nicht, warum du hier aufkreuzt, aber Paul hat dir doch sicher erzählt wer ich bin? Ihr Männer redetet doch sicher als erstes über eure…“ Es knallte. Carla brach zusammen. Karl schaute mich entsetzt an. „Das war Zufall, das war ich nicht, der Schuss hat sich einfach gelöst…“, stammelte er und schien tatsächlich zu glauben, was er sagte. Ich sah mich gleichzeitig auf Karl zugehen und ihn entwaffnen (er hielt mir einfach die Pistole hin, artig mit dem Griff in meine Richtung) und Carla zur Hilfe eilen.

Mann, du Idiot

Sie lag auf dem Rücken im Kies. Ich drehte sie in die stabile Seitenlage, etwas Besseres fiel mir nicht ein, immerhin wurde mir so klar, wieviel Blut sie schon verloren hatte, Blut das aus ihrem Rücken in den Kies floss. „Mann du Idiot!“ herrschte ich Karl an, „ruf einen Krankenwagen! Und die Polizei!“. Aber Karl stand da und betrachtete die Szene wie einer, dessen Geist soeben seinen Körper verlassen hatte und über allem zu schweben schien. Ich ließ von Carla ab, ging zu ihm, scheuerte ihm eine und schrie ihn an „Tu endlich was!“ Es war zwecklos, er war nicht zu erreichen. Ich rannte zum Haus und fand mein Telefon auf dem Küchentisch. Es dauerte eine halbe Stunde, bis die Polizei und ein Krankenwagen eintrafen.

Eine halbe Stunde

Eine halbe Stunde, in der ich versuchte mit Handtüchern den Blutstrom aus Carlas Wunde zu stillen. Sie war tot als sie endlich kamen, ich hatte gespürt als es soweit war, gespürt, wie sie verstarb und ich nichts tun konnte. Zumindest redete ich mir das ein, auch noch nach Jahren, als ich wieder in Berlin wohnte. Karl habe ich im Gerichtssaal wiedergesehen. Mit seinen Anwälten, junge Typen, die sich beflissen um eine Begrenzung seines Strafmaßes bemühten, um ihre Karriere zu befördern. Ich dagegen war im Zeugenstand. Mit ihm gesprochen habe ich nicht.

 

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