Wenn Figuren eigenwillig werden
Warum das ein gutes Zeichen ist
Es gibt diesen Moment, den jede:r Schreibende kennt:
Man sitzt am Schreibtisch, will eine Szene planen – und plötzlich weigert sich die Figur, das zu tun, was man für sie vorgesehen hatte.
Sie nimmt die falsche Abzweigung, sagt Sätze, die nicht im Plot stehen, oder verschwindet einfach aus der Geschichte.
Früher hielt ich das für Kontrollverlust.
Heute weiß ich: Es ist das Beste, was einer Geschichte passieren kann.
Denn sobald eine Figur Eigenleben entwickelt, hat sie Tiefe gewonnen.
Sie ist nicht länger das Produkt unserer Idee, sondern reagiert – auf ihre Welt, auf andere Figuren, auf sich selbst.
Das bedeutet: Wir haben ihr genug innere Logik gegeben, dass sie handeln muss, auch wenn wir es nicht vorgesehen hatten.
Wo Figuren wirklich herkommen
Oft glauben wir, Figuren entstehen aus Konzepten oder Biografien.
In Wahrheit entstehen sie aus Beobachtung und Erfahrung – aus einem Gesicht im Bus, einer zufälligen Bemerkung, einer Erinnerung, die sich festsetzt.
Wir nehmen sie zunächst gar nicht wahr; sie entstehen an den Rändern des Bewusstseins.
Erst wenn wir sie auf die Seite setzen, merken wir, dass sie längst etwas wollen.
Und das ist der eigentliche Beginn einer Geschichte: Nicht der Plot, sondern eine Bewegung im Inneren einer Figur.
Der Moment des Loslassens
Wer Figuren wirklich ernst nimmt, muss irgendwann loslassen.
Man kann ihnen eine Welt, eine Geschichte, ein Ziel geben – aber man darf ihnen den Atem nicht nehmen.
Das Schreiben ist dann weniger ein Entwerfen als ein Zuhören:
Was würde sie tun, wenn niemand sie beobachtet?
Was würde er sagen, wenn er wüsste, dass niemand zuhört?
Die besten Szenen entstehen oft genau dort – in diesem kleinen Moment, in dem die Autorin nicht mehr lenkt, sondern staunt.
In Schreibseminaren ist das meist der Moment, an dem Autor:innen lächeln und sagen:
„Ich weiß nicht, warum sie das jetzt macht – aber es fühlt sich richtig an.“
Genau da beginnt literarisches Schreiben.
Wer seine Figuren versteht, statt sie zu steuern, bekommt Texte, die überraschen, lebendig sind, echt.
Und darum geht es im Live-Seminar bei schreibwerk berlin: Figuren entwickeln.
Wie aus Skizzen Persönlichkeiten werden – und aus Figuren Menschen, die uns etwas über uns selbst erzählen.
Hier geht’s zur Anmeldung zum Live-Seminar Figuren entwickeln
